Homo Interpretans
On Daston, Augustine, Wynter
DOI:
https://doi.org/10.5282/mthz/5417Abstract
Für Lorraine Daston sehnt sich der Mensch nach dem Besitz einer Wissensformation, welche die Begrenztheit unserer Spezies überschreitet. Nach einer kurzen Einführung dieses umfassenderen Projektes – eines Überdenkens der Solidaritätskonzeption für das Anthropozän –, wird ein Programm für die philosophische Anthropologie skiz-ziert, das (in Anlehnung an Johann Michel) homo interpretans genannt wird und den Menschen als hermeneutisches Tier versteht. Ziel ist es, die Hermeneutik der Offen-barung in zwei neue Richtungen zu lenken: erstens, indem Dastons Behauptung (die Theologie verfolge die Erkenntnistheorie) als Eröffnung eines neuen Blickwinkels auf den eigenen locus classicus der christlichen Hermeneutik, Augustins De Doctrina, dient; zweitens, indem gezeigt wird, wie wichtig diese unwahrscheinliche Konvergenz von christlicher Hermeneutik und moderner Wissenschaftsgeschichte für die Aufgabe ist, Solidarität gegenwartssensibel inmitten einer rassisch kategorisierenden Moderne neu zu denken. Dabei wird dafür argumentiert, dass Dastons obige Behauptung zu-gleich brillant (Teil 1) und seltsam (Teil 2) ist. Die Reflexion auf die Rolle des Men-schen innerhalb der Menschheit erfährt dabei eine Flankierung durch eine kurze sug-gestive Auseinandersetzung mit dem Begriff der des homo narrans im Werk der schwarzen feministischen Theoretikerin Sylvia Wynter (Teil 4).