Fuzulis »Garten der Glückseligen« und das Leid der Heiligen
Eine alevitische Entgegnung auf die Leidfrage
DOI:
https://doi.org/10.5282/mthz/5453Abstract
Der Dichter Fuzuli (1483–1556), den Alevit:innen als einen der bedeutendsten Poeten ihrer religiös-lyrischen Tradition verehren, schildert in seinem Werk „Der Garten der Glückseligen“ (Ḥadīḳatü’s-Süʽedāʼ) die Leidensgeschichten von Propheten und Heiligen. Das hagiographisch angelegte Werk befasst sich am umfangreichsten mit dem Martyrium des Prophetenenkels Imam Husain (626–680) in Kerbela. Anhand dieses Ereignisses, das sich wie kein zweites ins alevitische Kollektivgedächtnis eingeprägt hat, greift Fuzuli das Problem des Leidens auf und verfolgt dabei primär einen handlungsorientierten Ansatz. So sieht der Dichter in Leid ein notwendiges Übel, um Gott den Liebesbeweis zu erbringen. Fuzuli sieht in seiner Liebesmystik die Gottesliebe als Telos des Menschen, für dessen Erfüllung er eine duldsame, gar dankbare Annahme des Leids vorsieht. Gleichzeitig spricht er sich gegen die Bonisierung des Leids anderer Menschen aus und sieht hier stattdessen Anteilname, Mitgefühl und Trauer vor – wie das Narrativ des Werkes an den Ereignissen Kerbelas deutlich macht. Die vorliegende Abhandlung diskutiert die Antworten in besagtem Werk auf die Ursprünge des Leids, auf den Umgang mit eigenem und nicht zuletzt mit fremdem Leid.