Zweifel, Unglaube und Anagnorisis Motiv in den Ostererzählungen der Evangelien
DOI:
https://doi.org/10.5282/mthz/5472Abstract
Während die Osterevangelien berechtigte Zweifel bezüglich des leeren Grabes plausibel ausräumen können, werfen ihre Berichte über die Erscheinungen des Auferstandenen Fragen auf. Zwar sind die Visionen theologisch problemlos als Halluzinationen oder Oneiroide zu deuten, aber der Zweifel der Visionäre und das Nicht-erkennen Können des Auferstandenen (Anagnorisis-Motiv) widersprechen dem Phänomen der Vision nicht nur unter psychologischen wie biblischen Aspekten, sondern auch dem Zweck, die Auferstehung Jesu als Faktum auszuweisen. Diese Unstimmigkeiten lassen sich weder durch ein Versagen der Jünger noch durch die Singularität der Auferstehungswirklichkeit erklären; sie verweisen vielmehr auf einen längeren Lern- und Erkenntnisprozess, bei dem Schriftauslegung und Erinnerung an das letzte Abendmahl entscheidende Faktoren auf dem Weg zum Osterglauben waren. Visionen können diesen Prozess ausgelöst oder begleitet haben. Der – in der Geistsendung symbolisierte – ungleichzeitige Moment der Akzeptanz des Auferstehungsglaubens machte weitere Erscheinungen überflüssig und begeisterte zugleich für eine Wiederaufnahme der Sammlungsinitiative Jesu, der sich dann auch – völlig unvorhergesehen – Nicht-Juden angeschlossen habe. Mit der nachträglichen Bestätigung der Universalisierung ist der Aufstieg des Hl. Geistes zur dritten göttlichen Person mit der Funktion verbunden, auch die weitere Entwicklung der Kirche zu legitimieren.